Burgund und Beaujolais. Zwischen Kellertechnik, Terroir und Tradition. Eine Reise durch drei Kooperativen, drei Welten – und das, was Burgund heute in Teilen ausmacht.
Wo Burgund auf Beaujolais trifft
Weinreisen führen uns oft an Orte, an denen sich Gegensätze begegnen. Kaum irgendwo ist das so spürbar wie zwischen Burgund und Beaujolais. Beide Regionen sind sowohl nah beinander, gleiten ineinander über, sind grundverschieden und dennoch untrennbar miteinander verbunden. Auf unserer Tour wollten wir herausfinden, wie sich bei der „Compagnie de Burgondie“ heute Tradition, Technik und Terroir begegnen – und was davon im Glas ankommt.
Die Compagnie de Burgondie ist ein Zusammenschluss mehrerer Kooperativen der Region: Zu ihr gehören die Caves Bailly Lapierre, bekannt für ihre Crémants de Bourgogne, die Cave des Vignerons de Buxy, die die Weine der Côte Chalonnaise vermarktet, und die Alliance des Vignerons Bourgogne-Beaujolais mit Weinen aus dem Mâconnais (Cave de Viré, Cave d’Azé) und Beaujolais (Cave du Château de Chénas, Cave du Château des Loges, Vignerons des Pierres Dorées)
Drei Stationen stehen bei unserer Stippvisite auf dem Programm: Buxy, Viré und Château du Chénas. Drei Kooperativen, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und die gemeinsam ein spannendes Bild der Region zeichnen.



Buxy – moderne Kellertechnik trifft auf Bodenständigkeit
Ein Spätsommertag, angenehm warm, leichte Bewölkung, hohe Luftfeuchtigkeit. Wir treffen uns mit Ludivine, die unsere Ansprechpartnerin für die nächsten 36 Stunden sein wird. Schon beim Betreten der Kellerei in Buxy wird klar: Hier schlägt das Herz der Technik. Edelstahl soweit das Auge reicht, 1.200 Fässer, 15 Foudres und eine komplett automatisierte Abfülllinie – von der Entrappungsmaschine bis zur Palettierung. Das Ganze wirkt wie ein Präzisionsbetrieb, voll automatisiert, wie ein Uhrwerk und von unsichtbarer Hand gezogen. Und dennoch arbeiten hier viele Menschen, die gut gelaunt und mit Spaß sowohl hastig die nächsten Tasks erledigen als auch erschöpft und mit Kollegen eine kurze Kaffeepause im Freien genießen. Lesezeit ist kein Ponyschlecken, da helfen auch die Automatismen nur bedingt.
Die Zahlen beeindrucken: 300 Hektar Rebfläche, davon 200 Hektar in Montagny (Premier Cru). Grand Cru-Lagen sucht man vergeblich, denn das Gebiet zählt noch zur Côte Chalonnaise – der ehrlichen, bodenständigen kleinen Schwester der Côte d’Or. Hier geht es um ehrliche Weine, saubere Arbeit und ein Stück Burgund, das bezahlbar ist und keine Hypothek aufs Haus verlangt.



Im Glas – Wein, Burgund, klar, sauber
Und was finden wir im Glas an Wein? Korrekt, klar, fehlerfrei – aber das wäre auch das Mindeste.
Der Montagny Premier Cru Chardonnay, teils im Holz ausgebaut, ist aus unserer Sicht das Flaggschiff der Flotte. Er ist rund, balanciert, gefällig, für den Alltag geeignet (auch im Preis) ohne alltäglich zu sein. Frisch, und dennoch klassisch Burgund, unverkennbar und blind eindeutig zuzuordnen. Auch der kleine Anteil Aligoté (rund fünf Prozent) wird stolz präsentiert – man spricht von einem „Comeback der Rebsorte“. Für Deutschland ist das allerdings Wunschdenken: Aligoté bleibt hier wohl stets ein Exot. Buxy steht für verlässliche Qualität und preislich attraktiv – eine moderne Genossenschaft ganz ohne Allüren.

Cave de Viré – die Entdeckung des Terroirs in „La Plaine“
Nach dem Lunch geht es für uns Richtung Süden zum Cave de Viré im Maconnais. Die Ernte läuft auch hier auf Hochtouren, allerdings wirken hier gefühlt mehr Hände und weniger Maschinen. Handarbeiten, Augenmaß und traditionellere Methoden – so zumindest der erste Eindruck. Ein warmer Tag wirkt schweisstreibend und den Winzern und Helfern ist die Anstrengung anzusehen. Bei den anschliessenden Besuchen und Besichtigungen der Lagen wird uns klar, dass hier Tradition und Moderne noch etwas enger zusammengerückt sind. Wir arbeiten uns in den Lagen „nach oben“ bis hin zur „La Plaine“ – auf diese Lage ist man hier – wie wir im Weiteren auch werden bestätigen können – zu Recht Stolz. Hier spricht der Boden und die Hand, die ihn bearbeitet – ganz und gar nicht alltäglich. Dabei ist und bleibt „La Plaine“ auch unsere Entdeckung des Tages: Eine Lage mit Ost-West-Ausrichtung, windgeschützt, mit kühlen Nächten und warmer Morgensonne – ideale Bedingungen für Chardonnay.



Chardonnay, wie man ihn schmecken möchte
Der La Plaine Chardonnay präsentiert sich mit klarer Struktur, feiner Mineralität und dieser typischen Spannung, die großartigen Weinen aus dem Burgund eigen ist. Elegant, präzise, mit Charakter – und das zu einem Preis, der (noch) vernünftig bleibt: Rund 16 € legt man hierfür an, was – in den größeren Rahmen gesetzt – geradezu lächerlich günstig erscheint. La Plaine steht als Musterbeispiel dafür, was Burgund groß macht: Herkunft, Mikroklima, Handwerk – schmeckbar bis ins letzte Detail.

Unser Fazit für Viré-Vérizet: Herz und Verstand. Hier wird Burgund lebendig und La Plaine ist mehr als ein Wein – es ist eine kleine Lektion in Terroirkunde.
Château de Chénas im Beaujolais – der Weg zurück in die Köpfe
Unsere letzte Station führt uns anderntags noch weiter nach Süden, zum Cave du Château de Chénas ins Beaujolais. Eine Region, die oft unterschätzt wird, deren beste Crus aber seit einiger Zeit wieder Aufwind erleben. Das Château selbst ist gerade im Begriff umfassend renoviert und saniert zu werden, weshalb eine Besichtigung hier leider (noch) nicht möglich war. Die zur Cave gehörenden Lagen und Weinberge jedoch sind nicht nur in ihrer Einzigartigkeit beindruckend, sondern lassen sich auch in der Verkostung hervorragend darstellen. Doch hierzu gleich mehr, denn die Böden aus Sand und Granit versprechen großartigen Gamay.

Daten & Fakten
- Gesamtfläche der Appellation: ca. 1.200 ha
- Davon rund 200 ha im Besitz der Kooperative, mit 75 Vertragswinzern
- In Moulin-à-Vent nur 61 ha, die aber nur von rund einem Dutzend Winzern bewirtschaftet werden.
Und jetzt: Verkostung
Der Ortswein aus Fleurie überzeugt durch Frucht, Saftigkeit und freundliche Anmut. Geerdet wird das Ganze durch traditionelle Alkoholwerte. Starke Erdbeere, etwas Erdbeerkompott. Ein Wein, der den Charakter seiner Rebsorte trifft und zurück in die Köpfe der neuen, nächsten Generation möchte.
Der Moulin-à-Vent – bekannt und berühmt und eben der Prestige-Cru der Region. Die homogene Bearbeitung der Weinberge im Moulin-à-Vent zeigt sich auch in den Weinen: Ausgewogen, zurückhaltend und Gamay-typische Frucht, ohne zu viel zu fordern. Auch hier ist die Zielgruppe die jüngere Generation oder die Freunde des Beaujolais Nouveau, die gern Erwachsenes möchten.



Der (lange) Weg zurück
Wir erinnern uns noch gut an eine Zeit, in der Beaujolais das Image des Supermarktes nicht ganz loswerden konnte, die Primeurs in Deutschland gern bei Weinverzehrern im Glas und Lagen wie Moulin-à-Vent eher in der Sommelier-Bubble zu finden waren. Zu Unrecht, wie ich finde. Gamay hat und hatte stets das Zeug dazu, gerade Einsteiger in die Themen Rotwein und Burgund – und vielleicht auch Wein allgemein – zu begeistern. Diesen Weg zurück in die Köpfe tritt die Cave du Château de Chénas an, das richtige Werk- und Rüstzeug dafür ist an Bord. Aus unserer Sicht eine Bereicherung für die Weinwelt.
Was bleibt: Erkenntnisse und Eindrücke
Ein Dreiklang war es für uns. Einerseits die klaren Unterschiede zwischen Burgund und Beaujolais. Doch allen Kellereien gemein waren die Identitäten der Weine, die zwischen automatisierter Präzision, terroirgetriebener Handarbeit und traditionellen Weinen ihre eigenen Charaktere darstellen. Burgund bleibt ein Lehrbuch des Weinbaus – aber eines mit vielen Kapiteln. Viré hat uns gezeigt, dass sich Handwerk und Herkunft durchsetzen können, insbesondere „La Plaine“ steht für einen ausdrucksstarken terroirgeprägten Chardonnay zu einem tollen Preis. Buxy demonstriert, wie weit Technik inzwischen mit Tradition einhergeht und dass klassisch burgundischer Stil eben doch bezahlbar sein kann. Und Château de Chénas mahnt, dass Tradition nicht verloren gehen sollte und zurück in die Köpfe muss. Gamay kann die Zukunft gehören – insbesondere, wenn es um Frucht geht 😉
Persönliches Fazit – Warum Reisen lehrt, Wein zu verstehen
Am Ende dieser Tour bleibt mehr als eine Verkostungsnotiz. Es bleibt das Bewusstsein, dass Wein nie nur ein Getränk ist, sondern Ausdruck seiner Landschaft, seiner Menschen und ihrer Haltung. Und manchmal spürt man das sogar schon mit dem ersten Schluck – so, wie bei La Plaine.
Diese Reisen sind so wertvoll für uns. Sie lehren Demut, Neugier und das Gespür für das, was Wein im Kern ausmacht: Ehrlichkeit. Und genau diese findet man bei allen drei Kellereien – jede für sich auf ihre eigene Weise und dennoch alle zusammen: Als Compagnie de Burgondie.