Mare e Monti
Eines meiner Lieblingsgerichte sind Paccheri Mare e Monti. Kurz gesagt sind das klassische süditalienische Nudeln mit Pilzen und Meeresfrüchten. Hierin verbinden sich für mich die wundervollsten Aromen und Einflüsse von Meer (Mare) und Bergen (Monti). Ein unfassbar intensives Gericht, das mir stets ein Lächeln ins Gesicht zaubert (eine astreine Zubereitung natürlich vorausgesetzt).
Und so passt es auch, dass wir an einem Donnerstagmorgen unsere kleine Reise am Meer starten und Richtung Berge fahren. Wir befinden uns noch an der Küste der Provence, etwas südwestlich von Toulon und unser Weg soll uns heute ins Luberon führen, genauer gesagt dorthin, wo die Provence weingeografisch ins Luberon übergeht und im Norden vom Ventoux eingerahmt wird. Wir fahren zu Marrenon. Dieser Name steht selbstredend für Wein aus dieser Region, ist aber auch eine Kunstschöpfung um die Lage und regionale Verankerung zwischen Meer und Luberon darzulegen. Und da haben wir´s wieder: Mare e Monti. Meine Vorfreude wächst schon bei den Gedanken an den Namen.

Im Rückspiegel verschwindet das Meer zügig während man die Autobahn Richtung Norden fährt. Ausnahmsweise lässt sich aber sogar die Autofahrt in dieser Richtung als durchaus sehenswert bezeichnen. Zwischen sanften Anstiegen und felsigen Bögen hindurch erklimmt man Höhenmeter, Täler und Hügelkuppen bauen sich auf und verschwinden Sekunden später wieder im Nebel. Wir passieren Aix-en-Provence und verlassen die Autobahn bei Pertuis und befinden uns hier im äußersten Süden des Luberon. Noch ein kleines Stück nach Nordosten und wir sind am ersten Etappenziel des Tages angekommen: Marrenon – Keller, Verkaufsraum und Neubau. Doch hierzu später mehr.
Ein Stück Geschichte

Hier treffen wir uns zunächst mit Julien Sanchez. Wie wir bald erfahren ist er bereits seit 2007 bei Marrenon und mittlerweile der verantwortliche Export Manager. Dass er neben Französisch noch Englisch und zudem noch Deutsch spricht prädestiniert ihn einerseits natürlich für seinen Job, macht die Unterhaltung aber auch in 3 Sprachen interessant. Wobei wir uns tatsächlich auf Englisch einigen – wenn schon Fremdsprache, dann doch für alle.
Die Geschichte Marrenons ist ebenso interessant. 1965 wurde das Unternehmen als Zusammenschluss von Winzern und Kellereien gegründet hat und war alsdann zunächst eine echte Hausnummer in der Region. Etwa 30 Jahre später erbte eine reiche Brasilianerin namens Petula Garcia ein Forsthaus im Luberon, das ebenfalls den Namen „Marrenon“ trug. Da sie selbst eine Vielzahl von Festen feierte und Freunde aus der ganzen Welt einlud war ihr Bedarf an Wein groß und sie bat Marrenon ihr eine eigene Cuvee auszubauen – so war der Rosé Petula geboren.
Marrenons Weine
Womit wir auch schon beim Tasting sind. Hierzu lässt sich vorweg anmerken, dass man bei Marrenon über 60 verschiedene Weine findet und damit im Grund nahezu jeden Anlass bedienen kann. Und der gerade angesprochene Rosé Petula wird uns voller Stolz auch als der Signature Wein von Marrenon vorgestellt. Vor einigen Monaten hatten wir schon einmal das Vergnügen bei einem Tasting und bereits zuvor beschlossen, uns mit Petula zu verstärken, aber nichtsdestotrotz gehört dieser Rosé als Speerspitze Marrenons hervorgehoben, denn mit über 300.000 verkauften Flaschen pro Jahr kann man hier auch getrost von einer Art Backbone sprechen. Dass er zudem über 10 Jahre lang der offizielle Rosé der French Open in Paris war, sei hier ebenfalls noch erwähnt.




In der Verkostung tun sich selbstredend auch noch andere Weine besonders hervor. Herausragend sind für uns nach wie vor der 2023 neu eingeführte Rosé Seasons mit seiner Frische und spielerischen Leichtigkeit. Orca kann auch als äußerst bedeutsamer Wein für Marrenon eingestuft werden, allerdings weniger wegen der verkauften Flaschenzahl, sondern wegen des Alters der Reben das im Schnitt zwischen 80 und 100 Jahren liegt. Leider ist der Weg zu diesen Weinbergen auf Grund der bereits fortschreitenden Uhrzeit zu weit für diesen Tag, aber für den nächsten Besuch ist das fest eingeplant.
Wir probieren uns munter durch und am Ende bleiben sehr viele Weine als bestechend gut bis herausragend im Gedächtnis hängen. Doria zum Beispiel, eine Cuvee aus Vermentino und Grenache Blanc, der mit wunderbar reifen Quitten-, Pfirsich- und Orangenaromen daherkommt, untermalt von zartem Edelkastanienhonig und dabei noch immer frisch und drinky wirkt. Dazu beiden „Grand Marrenons“ in Weiß und Rot. Weiß mit einem Teilausbau im kleinen Holzfass in Zweit- und Drittbelegung. Im Grund findet sich hier die logische Fortsetzung des Doria, reifer ausgebaut und mit komplexerer Struktur. Und natürlich finden wir auch hier einen echten Preis-Leitungs-Knaller. Der Luberon Rouge ist eine echte Fruchtbombe, samtig, weich und dennoch mit schöner Struktur, die ihn drinky bleiben lässt. 70% Syrah und 30% Grenache (selbstredend) – ein echt starkes und – Nomen est Omen – sehr symbolträchtiges Stück Rotwein. Und natürlich gehört er zur Reihe der Cuvée Essentielles.
Die Liste der verkosteten Weine ließe sich sehr lange weiterführen, doch würde das am Ende hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Festzuhalten bleibt, dass die Qualitäten in der Verkostung durchweg hervorragend waren und man sich zwangsläufig fragen muss, was oder auch wer dahintersteht?
Hard facts auf dem Weg in die Zukunft
Man kann nicht behaupten, dass Marrenon ein kleiner Player ist – und doch geht hier alles sehr familiär zu. Die Unternehmensstruktur ist paritätisch bis familiär mit Teilen direkter und indirekter Demokratie. So hatten wir das auch schon bei Plaimont erlebt. Und über die Jahrzehnte weg hat sich dieser Weg wohl eindeutig bewährt. Durchaus etwas, worauf man mit Stolz verweisen kann. Seit 2006 aber hat sich noch etwas Entscheidendes verändert: Der eigene Anspruch, die Selbstwahrnehmung, das nach Innen vermittelte und über die Qualität der Weine nach außen transportierte Image: Marrenon darf und soll sich sehen lassen. In diesem Jahr 2006 übernahm Philippe Tolleret als Chef-Önologe und Generaldirektor bei Marrenon und setzte neue Maßstäbe. Nicht nur besann man sich (allmählich auch im Innern) auf Marrenon als Marke, sondern vertrat dies nun auch endlich nach außen und trieb gleichzeitig alle Winzer und Mitarbeiter an, ihre Arbeit zu verbessern und die Qualitäten zu steigern. Dies trug nicht nur langfristig zum Wohle aller Mitarbeiter bei, sondern stärkte die Marke national und international derart, dass man heute in 45 Länder der Welt Wein der Marke Marrenon exportiert. Über 400 Winzer und Teilhaber arbeiten heute auf 4.000ha für 140.000hl Wein pro Jahr. Und dazu gibt es Spitzenprodukte wie Orca und Gardarem, die sich in der Weinwelt überhaupt nicht verstecken müssen.



Im Keller von Marrenon stehen heute 1.300 Barrique-Fässer unterschiedlicher Hersteller, alle mit unterschiedlichen Reife- bzw. Trocknungsgraden, gerade so, wie sie für die verschiedenen Weine geeignet sind. Auf Grund der begrenzten Kapazitäten in den derzeitigen Hallen wurde ein Neubau in Angriff genommen, der in im Frühjahr 2025 fertig gestellt werden soll. Hier finden zukünftig bis zu 2.000 Barrique-Fässer Platz, Technik und Logistik werden auch den neuesten Stand gebracht und Verpackung und Konfektionierung teilautomatisiert werden. Heute schon nach vorne und an die Zukunft denken – das hat sich seit 2006 bei Marrenon manifestiert. Das schmeckt man – und man sieht es auch.
Lunch und Landschaft – Provence pur
Kleine Stärkungen müssen sein an solchen Tagen. Wir verlegen einen Teil des Interviews mit Julien also aufs Mittagessen in die Brasserie du Chateau im kleinen Zentrum von La Tour-d´Aigues. Das Chateau selbst erinnert sofort an unsere Heimat Heidelberg: Ein Renaissance-Bau, der zerstört wurde. Unterschiede zu Heidelberg: Gebaut worden war hier mit Sandstein und nicht mit Buntsandstein, zerstört wurde es einige Jahre nach dem Heidelberger Schloss während der Französischen Revolution. Aber das nur am Rande.
Die Brasserie ist gut besucht, die Mittagskarte herrlich zu lesen und obendrein schmeckt auch noch alles extrem lecker. Wir werden nicht nur von einer Flasche Petula begleitet, sondern auch von Juliens Kollegin Mégane, die seit über 10 Jahren bei Marrenon arbeitet. Witzig und schnell erzählt sind die hard facts zu ihr: Sie lebt mit vielen Tieren „auf dem Land“, trinkt keinen Alkohol und mag keinen Salat, dafür mehr Beef auf dem Teller. Frankreich wie es leibt und lebt.


Nach dem Lunch geht es in die Weinberge. Wir fahren durch pittoreske Dörfer, der Charme der Provence hält hier an jeder Ecke und winkt einem zu. Das Wetter klart auf, die Sonne scheint für uns. Die Temperaturen sind angenehm mild bei 15C Grad und wir fahren ein paar Feldwege eine Anhöhe hinauf bei Lourmarin. Nicht nur diente dieses Dörfchen schon als Schauplatz für Hollywood-Filme (was ich durchaus nachvollziehen kann), es ist auch ohne Inszenierung und so ganz in natur extrem charmant und wohltuend authentisch. Provence eben. In echt.
Aber zurück zu unseren Weinbergen oder vielmehr Marrenons Weinbergen. Wir parken auf einem kleinen Plateau mit herrlichem Ausblick auf die Gebirgskette des Luberon, können erahnen welche Route ins Ventoux führt und sehen Richtung Süden weit entfernte Horizonte mit endlos scheinenden Rebzeilen. Der richtige Ort für einen kleinen Spaziergang mit den Hunden. Vermentino zur Rechten, 50 Jahre alt, etwas jünger zur Linken findet sich Syrah, dahinter Grenache. Es duftet herrlich nach Garrigue und wildem Thymian.
Hier und da ist zwar Tröpfchenbewässerung installiert, allerdings sind die Auflagen strikt und laut Julien wird das nur extrem selten eingesetzt. Selbst im Jahr 2024, als die halbe europäische Weinwelt große Verluste wegen Regen bzw. Feuchtigkeit und der damit verbundenen Schädlings- und Pilzproblematiken hinnehmen musste, hatte Marrenon selbst im Bio-Anbau nur etwa 15% Leseverlust. Das spricht nicht nur für die Arbeit der Winzer, sondern auch für die klimatischen Bedingungen hier. 320 Sonnentage durchschnittlich pro Jahr lassen nicht nur Menschenherzen höher schlagen. Auch die erhöht liegenden Weinberge hier (ca. 400m N.N.) bieten den Reben kühle nächtliche Winde von Norden und mediterranen Einfluss (Mistral) tagsüber von Süden her. Das Luberon ist an der höchsten Stelle ca. 1.300m hoch und bietet so perfekten Schutz für Witterungseinflüsse, die von weiter nördlich her kommen. Die Böden sind eine Mischung als Lehm und Kalkstein, auch verwitterter Kiesel findet sich zwischendurch. Eine tolle Mischung für sowohl Fülle und Frucht wie auch Finesse und Mineralität.


Und so ist eben auch diese kleine Reise: Eine tolle Mischung. Wir fanden und finden, was wir such(t)en. Tolle Menschen, ein zukunftsorientiertes Unternehmen, ein fantastischer Partner, leckeres Essen, wunderschöne Landschaften und grandiose Weine. Tipps geben könnten wir recht viele nach solch einem Tag.


Sofern Ihr selbst eine Reise ins Luberon oder ins Ventoux plant, so können wir zumindest diese Teilstrecke wärmstens empfehlen. Den Stopp bei Marrenon solltet Ihr unbedingt machen, Cucuron und Lourmarin sind obendrein herrliche Ausflugsziele. Wanderungen im Luberon bieten für alle Fitnessgrade entsprechende Touren und wer die Provence erleben möchte, der ist hier genau richtig. Authentisch, echt, nahbar und vor allem lecker. Hier wird Lebensfreude und Genuss groß geschrieben. Viel schöner als in Hollywood-Filmen. Und ich…ich nehme jetzt noch ne Portion Paccheri….Mare e Monti.